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sonnengelber Hintergrund, Skizze einer denkenden Person mit Fragezeichen; Text: WAS DENN NUN? Bäume pflanzen als CO2-Ausgleich oder nicht?

Bäume pflanzen für den CO2-Ausgleich – oder nicht?

Viele Unternehmen und Privatpersonen unterstützen für die Kompensation ihrer CO2-Emissionen Projekte, die Bäume pflanzen. Ist das sinnvoll oder nicht? Tina Teucher moderierte zu dieser Frage am 23.10.23 eine Paneldiskussion. In diesem Beitrag gibt es eine klare und konkrete Antwort.


Dieser Beitrag erscheint in der Reihe „Was denn nun?“ im Nachhaltigkeitsblog von Tina Teucher. Sie hinterfragt Alltagsthemen und Dilemmata der Nachhaltigkeit, untersucht unterschiedliche Quellen und Erkenntnisse zum jeweiligen Thema und gibt Tipps für die Entscheidungsfindung.

Ist Bäume pflanzen zur CO2-Kompensation sinnvoll?

Viele Projekte zur Aufforstung und CO2-Kompensation werden sehr gelobt und doch gibt es immer wieder kritische Stimmen dazu. Welche Argumente stehen auf der Pro und Contra Liste? Wann und wie ist der CO2-Ausgleich durch’s Bäume pflanzen ökologisch zweckmäßig?

Beim Klimaherbst der Stadt München moderierte Tina Teucher zu dieser Frage am 23.10.23 eine Paneldiskussion mit Dr. Sebastian Brandis (Vorstandssprecher Menschen für Menschen), Ruth von Heusinger (Gründerin und Geschäftsführerin von ForTomorrow) und Steffen Erath (Head of Innovation & Sustainability bei der Hansgrohe Group):

NAGAYA - Der Talk: Bäume pflanzen - Echter Klimaschutz?

Lässt sich die Klimabilanz durch Bäumepflanzen verbessern?

Zunächst einige Erkenntnisse aus der Diskussionsrunde:

Klimastrategie heißt: Vermeiden, Reduzieren, dann erst Kompensieren

Steffen Erath (Head of Innovation & Sustainability bei der Hansgrohe Group) stellt Vermeiden vor den Ausgleich. „Für uns als Hersteller geht’s immer darum zuerst Emissionen zu vermeiden, dann zu reduzieren und nur als allerletzes zu kompensieren„. Diese Rangfolge gelte auch für die Klimabilanz von Privatpersonen. Der Badhersteller Hansgrohe habe sich zu wissenschaftsbasierten Klimazielen (sog. Science based targets) verpflichtet. „Ich glaube, dass es wichtig ist Externalitäten wie CO2 in das Wirtschaftssystem einzupreisen und daher ist die Idee von CO2 Zertfikaten grundsätzlich richtig. Man muss natürlich aufpassen dass diese Systeme auch wirklich einen Impact generieren und dass kein Schein-Markt erzeugt wird. Auch ist wichtig dass ein sehr großer Teil des Geldes wirklich in die effekive Reduzierung von CO2 fließen und nicht Absatzmittler und Spekulanten mehr profitieren als der Planet“. Für mehr Transparenz müssten Unternehmen einen internen CO2-Preis festlegen, damit nachhaltige Technologien auch bei einer klassischen Investitionskostenrechnung (ROI) Chancen auf Umsetzung haben.

Solange wir CO2 emittieren, brauchen wir eine Müllabfuhr

Ruth von Heusinger von ForTomorrow gGmbH machte deutlich, dass es auf die Glaubwürdigkeit der Projekte ankomme. Die investigativen Recherchen von Medien wie DIE Zeit, The Guardian und New York Times 2023 haben dazu geführt, dass nun mehr auf die Wirksamkeit der CO2-Projekte geachtet wird. Hier gab es in der Vergangenheit Projekte, die dem Klimaschutz keinen zusätzlichen Nutzen geboten haben. Leider würden aber in der Presse aktuell auch gute Projekte ohne genügende Auseinandersetzung schlecht dargestellt. Dies sei kontraproduktiv, denn: „Wir brauchen mehr finanzielle Mittel für den Klimaschutz“. Nicht vermeidbare Emissionen lassen sich über Baumpflanzungen kompensieren. Es ist ähnlich zu unserem Müllsystem. Wir können Müll noch nicht komplett vermeiden, darum brauchen wir ein funktionierendes Müllsystem. Auch bei CO2-Zertifikaten gibt es bereits funktionierende Systeme. „Um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, brauchen wir eine klare Abgrenzung zu wirkungslosen Projekten, definierte Begrifflichkeiten, Transparenz und verlässliche Siegel„. ForTomorrow bietet eigene Aufforstungen in Deutschland und pflanzt neue Mischwälder, geschützt durch das Deutsche Bundeswaldgesetz von 1975 und bestätigt durch das Phineo-Wirkungssiegel.

Ruth von Heusinger von ForTomorrow gGmbH machte deutlich, dass es auf die Glaubwürdigkeit der Projekte ankomme. Die investigativen Recherchen von Medien wie DIE Zeit, The Guardian und New York Times 2023 haben dazu geführt, dass nun mehr auf die Wirksamkeit der CO2-Projekte geachtet wird. Hier gab es in der Vergangenheit Projekte, die dem Klimaschutz keinen zusätzlichen Nutzen geboten haben. Leider würden aber in der Presse aktuell auch gute Projekte ohne genügende Auseinandersetzung schlecht dargestellt. Dies sei kontraproduktiv, denn: „Wir brauchen mehr finanzielle Mittel für den Klimaschutz“. Nicht vermeidbare Emissionen lassen sich über Baumpflanzungen kompensieren. Es ist ähnlich zu unserem Müllsystem. Wir können Müll noch nicht komplett vermeiden, darum brauchen wir ein funktionierendes Müllsystem. Auch bei CO2-Zertifikaten gibt es bereits funktionierende Systeme. „Um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, brauchen wir eine klare Abgrenzung zu wirkungslosen Projekten, definierte Begrifflichkeiten, Transparenz und verlässliche Siegel„. ForTomorrow bietet eigene Aufforstungen in Deutschland und pflanzt neue Mischwälder, geschützt durch das Deutsche Bundeswaldgesetz von 1975 und bestätigt durch das Phineo-Wirkungssiegel.

„Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“: Nicht alle CO2-Zertifikate sind schlecht

Dr. Sebastian Brandis, Vorstand der Stiftung Menschen für Menschen, betonte: „Wir brauchen in jedem Fall eine Renaturierung und reichere Länder werden dafür zahlen müssen. Es ist also nur eine Frage der Finanzierungtools“. CO2-Zertifikate seien dabei nur ein Werkzeug von vielen und sollten nur für spezifische, gute Projekte vergeben werden (echte Zusätzlichkeit, keine Vermeidungszertifikate). „Und diese Projekte gibt es natürlich: Also bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!“ Nachhaltige Aufforstung/Wiederbewaldung heiße nicht nur „Bäume pflanzen“, sondern sei ein komplexes Thema, was immer in Einklang gebracht werden muss mit dem lokalen Ökosystem, z.B. auch der ökonomischen Situation der Menschen. Projekte in Afrika haben die Vorteile, dass sie ein besseres besseres Return-on-Investment für CO2-Speicherung bieten und die positiven Auswirkungen sich nicht nur auf das Klima beschränken: „Es ist Impact für Mensch UND Natur, d.h. ökologische und ökonomische Verbesserung“. Die Stiftung Menschen für Menschen bietet einen Klimarechner für die persönliche CO2-Bilanz und die Möglichkeit, für CO2-reduzierende Projekte mit sozialem Impact in Äthiopien zu spenden.

Pro und Contra zur Aufforstung für die Klimakompensation

PRO – Bäumepflanzen als CO2-Ausgleich

  • Der Grundgedanke ist nicht falsch, sagt z.B. Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): „Wir brauchen mehr Wälder.“[1]
    • Wälder können viel zum Klimaschutz beitragen
    • „Aufforstung alleine bringt uns aber nicht weiter. Wollen wir wirklich Schadensbegrenzung betreiben, müssen wir verschiedene Aktivitäten kombinieren: das Vermeiden von Abholzung, Aufforstung, eine andere Holznutzung und Wiederverwertung.“ so das European Forest Institute.
    • Würde man diesen „holistischen“ Ansatz konsequent verfolgen, so die Autoren des Reports, „können europäische Wälder und Holzprodukte einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 leisten“.
    • Es brauche Maßnahmen, die den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) rascher bremsen, kombiniert mit Anstrengungen, das bereits in hoher Konzentration in der Atmosphäre befindliche CO2 zu binden und damit den Treibhauseffekt langfristig zu beheben. Die beste und im Endeffekt wohl auch günstigste Methode sei, auf die Photosynthese zu setzen, denn das sei „die wichtigste Innovation, seit es Leben auf der Erde gibt“, sagt Hans Joachim Schellnhuber (emeritierter Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung). [2]
      • Ein Aufforstungsprogramm gigantischen Ausmaßes mit annähernd 100 Milliarden Bäumen könnte die Menschheit dem Ziel näher bringen, künftigen Generationen ein Überleben auf diesem Planeten zu ermöglichen. Dafür müsste man:
      • Bäume auf degradierten Flächen pflanzen wie z.B. in der Sahelzone, in Teilen Lateinamerikas, im Mittelmeerraum oder in Schottland“
      • Ein Baum, am richtigen Ort gesetzt, kostet vielleicht zehn Euro. Er kann aber zehn Tonnen CO2 speichern“
      • Was aber, wenn die Bäume nach 50, 60 oder 80 Jahren ihr Klimaxstadium erreicht haben? Gerade dann würden sie unter dem Einfluss der Erderwärmung zu einer Quelle von CO2 – Stichwort Waldbrände. Deshalb müsse das Aufforstungsprogramm sinnvollerweise einhergehen mit einem Paradigmenwechsel beim Bauen: Mehr Holzhäuser statt solche aus Ziegel oder Beton. Damit hätte man eine CO2-Senke, die als Bauholz in Gebäuden steckt, Wälder könnten immer wieder nachwachsen und zusätzliches CO2 binden.
  • Große internationale Konzerne könnten [auch durch Bäume pflanzen] eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung von Ökosystemen spielen[3]
  • Bäume binden CO2 aus der Luft und speichern Kohlenstoff. Wie viel, das hängt von der Baumart, den Standortbedingungen und der Lebensdauer ab. Für die Photosynthese entnimmt der Baum das Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Der Kohlenstoff (C) aus dem CO2wird unter anderem genutzt, um Wurzeln, Stämme und Blätter auszubilden: Viel davon wird im Baum eingelagert. Der Sauerstoff (O2) aus dem CO2 wird an die Luft abgegeben.[4]
    • Geografische Lage wichtig: Tropische Wälder wachsen schneller als Wälder in Deutschland und speichern daher im gleichen Zeitraum mehr CO2.Die Speichermenge ist abhängig von der Baumart: Je schwerer und dichter das Holz, desto mehr Kohlenstoff wird gespeichert
    • Faustformel der Stiftung Unternehmen Wald: 1 Hektar Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg circa 6 Tonnen CO2.
  • Pro Fazit von Christopher Reyer (PIK): Es gibt wirklich tolle Projekte. Nur der Verbraucher, der mit diesem „Ablasshandel“ sein Gewissen beruhigen will, kann sie nicht unterscheiden. Eine Wiederaufforstung ist tendenziell besser als eine Neuanpflanzung, da hier zumindest sichergestellt ist, dass sich der Ort für Wald eignet.

CONTRA – Bäume pflanzen zur CO2-Kompensation

Mangelnde Transparenz in Klimaberichten

  • Der Nutzen ist laut Forschenden wegen mangelnder Transparenz nur bedingt messbar. Für niemanden ist es einfach zu beurteilen, ob Projekte Vorteile für Ökosysteme oder Menschen bringen[5]
    • Selbst wenn der gepflanzte Wald dem Klima nutzt, ist das oft nicht zu quantifizieren.Ein Forscherteam hat kürzlich die Nachhaltigkeitsberichte von 100 der weltweit größten Unternehmen ausgewertet. 66 Unternehmen gaben an, Ökomaßnahmen durchzuführen, 44 von ihnen pflanzen Bäume, wie es das Fachjournal „Science“ berichtet. Die Studie zeigte aber auch, dass über 90 Prozent kein ökologisches Ergebnis angaben. Zudem seien in keinem der Berichte die sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen auf lokale Interessengruppen quantifiziert worden.„Woher wissen wir, ob tatsächlich Bäume gepflanzt wurden, ob die Bäume überleben werden und ob dadurch ein funktionierendes Ökosystem entstanden ist, das der Artenvielfalt und den Menschen zugute kommt?“ fragt Tim Lamont von der Lancaster University.
    • Die verschiedenen Zertifizierungssysteme auf dem Markt sieht Christoper Reyer (PIK) kritisch. Es gebe für Baumpflanzaktionen keinen rechtlichen Rahmen, aber „viel Wildwuchs“.

Qualität der Baumpflanzungen für Klimakompensation teils kritisch zu betrachten

  • beim Pflanzen kann man viel falsch machen[6]
    • Nur eine Baumart zu pflanzen, ist meist nicht sinnvoll: „Monokulturen haben wenig Resistenzen gegen Stürme oder Trockenheit und fallen schneller Schädlingen zum Opfer“, sagt Christopher Reyer, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
    • Manchmal würden durch Aufforstungsprojekte auch bestehende Ökosysteme vernichtet, zum Beispiel Moore oder Steppen. Andernorts würden illegale Siedlungen geräumt, mit der Folge, dass sich die Menschen woanders neue Behausungen bauen und dabei in andere, noch intakte Ökosysteme eindringen. Ein neu gepflanzter Wald könne auch den Boden austrocknen oder andere Nebeneffekte haben. „Letztlich muss man die Gesamtklimabilanz im Auge behalten“, so Reyer.
  • Alt vs. neu: Alte Wälder sind meist artenreicher und: Sehr junge Wälder speichern weniger CO2 als alte.[7]
  • Contra Fazit: Die Restaurierung des Klimas mittels forcierter Aufforstung sei ein Projekt, das etwa zwei Jahrhunderte beanspruche. Dennoch müsse man das Thema angehen. „Viele andere Möglichkeiten haben wir nicht„, sagt Prof. Hans-Joachim Schellnhuber. [8]

Fazit: Bäume pflanzen als CO2-Ausgleich?

CO2-Kompensation durch Bäume pflanzen ist ein wesentliches Puzzlestück für den Klimaschutz. Die CO2-Zertifikate bilden eine wichtige Finanzierungsquelle für Natur und Menschen. Zu achten ist dabei auf Additionalität (Zusätzlichkeit): Ohne diese Finanzierung gäbe es diese Projekte nicht. Zwar bleibt die Quantifizierung als CO2-Senke schwierig. Doch hochwertige Projekte denken deshalb über den Klimaschutz hinaus:

  1. Sozialer und ökonomischer Gewinn für Menschen im globalen Süden (Mehrwerte für die Bevölkerung)
  2. Förderung von Biodiversität
  3. Langfristige Projektsicherung
  4. Langfristige CO2-Bindung, z.B. lokal gewachsenes Holz als Bau- und Werkmaterial verwenden und damit das CO2 für längeren Zeitraum zu speichern. So entsteht in bestehenden Wäldern Platz für neue Bäume, die wiederum CO2 speichern können.

Fußnoten & Quellen

[1] Bäume pflanzen fürs Klima: Ohne Transparenz ist Nutzen oft nicht nachweisbar – ÖKO-TEST (oekotest.de)

[2] Klimaforscher: 100 Milliarden Bäume pflanzen gegen den Treibhauseffekt (msn.com)

[3] [4] [5] [6] [7] Bäume pflanzen fürs Klima: Ohne Transparenz ist Nutzen oft nicht nachweisbar – ÖKO-TEST (oekotest.de)

[8] Klimaforscher: 100 Milliarden Bäume pflanzen gegen den Treibhauseffekt (msn.com)

Nachhaltigkeit: Bäume pflanzen fürs Klima: Nutzen oft nicht nachweisbar | ZEIT ONLINE

Tree Planting Is Booming. Here’s How That Could Help, or Harm, the Planet. – The New York Times (nytimes.com)

Planting trees doesn’t always help with climate change – BBC Future

Revealed: top carbon offset projects may not cut planet-heating emissions | Carbon offsetting | The Guardian


Tina Teucher ist Expertin und Keynote Speaker für unternehmerische Nachhaltigkeit. Ein Teil des Honorars für ihre Vorträge und Moderationen gibt sie einen Teil an den von ihr mitgegründeten Verein Generation Restoration, der Projekte unterstützt, die Klimaschutz, Ernährungssicherung, Biodiversitätsförderung und regeneratives Wirtschaften verbinden. Beratend begleitet sie Unternehmen in Nachhaltigkeitsmanagment und Nachhaltigkeitskommunikation, in Workshops und bei Veranstaltungen.
Der Newsletter von Tina Teucher informiert etwa viermal jährlich über aktuelle Nachhaltigkeitsthemen.


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