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OurLand co-founder Vijo Varghese with a flower in front Western Forest Complex in Thailand

OurLand: Wiederherstellung und Bildung in Thailand

Wie lassen sich Konflikte zwischen Wildtieren und Menschen lösen? Das Projekt OurLand in Thailand sucht nach Antworten. Tina Teucher hat den Mitbegründer Vijo Varghese getroffen.


OurLand ist ein Naturschutzprojekt in Westthailand, in der Nähe von Kanchanaburi. Es schützt Wildtiere und die lokale Artenvielfalt und geht dabei mehrere Herausforderungen an: Konflikte zwischen Mensch und Tier und Verlust und Zerstörung von Lebensräumen, durch Ökotourismus, Wiederherstellung von Ökosystemen und Bildung.

OurLand liegt im Western Forest Complex, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Südostasien. Die Region ist stark von Lebensraumverlust, Umweltzerstörung und Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren geprägt. Das OurLand-Reservat fungiert als Teil eines Korridors, der das Salakphra Wildlife Sanctuary und den Kwae Yai River verbindet. Dieser Fluss ist eine wichtige Wasserquelle für die Tierwelt des Schutzgebiets. Die Organisation schützt derzeit mehr als vier Hektar dieses Wildtierkorridors und ist bestrebt, weitere Korridore wiederherzustellen.

Ist Naturschutz nur etwas für die „Menschen der schönen Welt“?

Tina Teucher traf den Mitbegründer von OurLand, Vijo Varghese, und er teilte einige seiner Strategien und Gedanken mit ihr. Die meisten Thailänder denken, dass Naturschutz etwas für die „Menschen der schönen Welt“ ist. Denn die Menschen in der Region geraten häufig mit wilden Elefanten in Konflikt: Autounfälle, Angriffe, zerstörte Felder… Der Begriff „Naturschutz“ lässt sich nicht so leicht in den Alltag übertragen.

OurLand arbeitet nach der Philosophie, dass sich alle Lebewesen die Welt teilen. Die Arbeit konzentriert sich daher darauf, dieses Land für alle zu erhalten. Die Organisation möchte Lösungen für Konflikte zwischen Mensch und Tier, den globalen Wandel, Nachhaltigkeit und Umweltfragen finden und weitergeben. Mittlerweile betreibt das Team ein Bildungszentrum und eine Forschungsstation nahe des Salakphra Wildlife Sanctuary und ist gerade dabei, einen zweiten Standort zu eröffnen: Koh Yao Noi, eine Insel im Süden Thailands. Hier arbeitet OurLand mit Similan Scuba zusammen, um gemeinschaftsorientierte Umweltschutzmaßnahmen und Forschungsarbeiten zu entwickeln, insbesondere für marine Ökosysteme.

Wie OurLand arbeitet

Das Startup OurLand entwickelt nachhaltige Techniken und Systeme für ein Leben in Harmonie mit der Natur, was Vijo und sein Team als Integration mit und Wiederherstellung der natürlichen Welt verstehen. Um dies zu erreichen, nutzen sie ihr Ökodorf als Bildungszentrum, in dem Schüler*innengruppen, Einheimische und Tourist*innen geschult werden. Die enge Zusammenarbeit mit Einheimischen, Unternehmen und Behörden ist in ihrer Arbeit fest verankert. Das gesamte Geschäftsmodell mit maßgeschneiderten Bildungsprogrammen und nachhaltiger Landwirtschaft zielt darauf ab, den Erhalt der Artenvielfalt zu fördern. „Unternehmertum ist ein Werkzeug, um Veränderungen zu bewirken“, sagt Vijo.

Agroforstwirtschaft in Thailand

OurLand praktiziert Agroforstwirtschaft, d.h. es werden z.B. Indian Plum, Jackfruchtbaum, Mango, Mangostane, Longanbaum, Bananenstauden und mehr gepflanzt. Vijo ist davon überzeugt, dass die Agroforstwirtschaft bei der Wiederaufforstung immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, da sie sowohl für die Wildtiere als auch für die Bevölkerung vor Ort von Vorteil ist. Sie bringt das Ökodorf auch in Kontakt mit der Tierwelt, da die Früchte Tiere wie Elefanten anziehen, vor allem zwischen März und Mai.

Heilung der geschädigten Mensch-Wildtier-Beziehung

Lösungen für den Mensch-Wildtier-Konflikt zu finden, bedeutet auch, eine Beziehung zwischen Mensch und Tier herzustellen. „Viele Kinder haben heute eine Naturdefizitstörung“, sagt Vijo. Als Kinder wachsen sie in einer sterilen städtischen Umgebung ohne Kontakt zur Natur auf. OurLand empfängt regelmäßig Gruppen von Kindern, die beim Anblick einer Ameise in Panik geraten. In den Kursen werden die Jugendlichen wieder mit der Natur in Kontakt gebracht: indem sie im Fluss schwimmen, den Himmel beobachten, Tiere wie Elefanten und Schlangen treffen, Lehmziegel herstellen, Bäume pflanzen und andere Naturschutzmaßnahmen durchführen, aber auch indem sie mit Einheimischen über Mensch-Tier-Konflikte sprechen.

Nur wenn es ein Verständnis und eine Akzeptanz füreinander gibt, wird ein friedliches Zusammenleben möglich. „Es geht darum, die Koexistenz zu verstehen“, sagt Vijo. Um diese Entwicklung zu unterstützen, hat OurLand Gemeinschaftsprojekte in der Region gestartet, um den ethischen Ökotourismus auszubauen. Dies ist eine zusätzliche Einkommensquelle für die Einheimischen, die ihre Konkurrenz mit den Wildtieren verringert.

Leider kommt es im Western Forest Complex in Thailand häufig zu Unfällen mit Elephanten im Straßenverkehr. OurLand versucht deshalb, eine Brücke für Wildtiere zu bauen.

Thailands Naturschutzbemühungen konzentrieren sich auf Ökosystemfunktionen

„Ein staatlicher Naturpark in Thailand ist eher ein Naturkapitalträger“, sagt Vijo. Die Naturparks werden zum Beispiel zum Schutz von Wassereinzugsgebieten eingerichtet und konzentrieren sich nur auf bestimmte Ökosystemleistungen. Bei OurLand geht es eher darum, die Schönheit der Natur zu bewahren, oder wie Vijo es ausdrückt: „Wir sind die Natur. Wir sind die Perle der Natur“. Die Gründer sehen OurLand als den ersten privaten Naturpark in Thailand. Dieser Ansatz wird Private Land Conservation (PLC) genannt. Die Idee stammt von Doug Tompkins, einem Modeunternehmer und Philanthropen, der in Südamerika Tausende von Hektar Land gekauft und in Nationalparks und Bio-Bauernhöfe umgewandelt hat (Story hier).

Der thailändisch-indische Schlangenbeschwörer

Eine besondere Herausforderung besteht darin, die Angst vor Schlangen zu verringern. Sie sind ein wesentlicher und wertvoller Bestandteil der Ökosysteme in Südostasien. OurLand geht dieses Problem an, indem es die Einheimischen und internationale Gruppen über diese Schlangen aufklärt. Vijo Varghese, der in zwei verschiedenen Hotspots der biologischen Vielfalt, nämlich Thailand und Indien, aufgewachsen ist, hat sich zu einem Experten im Fangen und Retten von Schlangen entwickelt. Da ihn diese Reptilien seit seiner Kindheit faszinieren, hat er eine besondere Beziehung zu ihnen entwickelt und kann Menschen helfen, ihre Ängste abzubauen. OurLand hat auch ein Rettungszentrum eingerichtet, in dem Schlangen, die sich in menschliche Gebiete verirrt haben, rehabilitiert und gepflegt werden.

Selbstversorgung und Nachhaltigkeit in der thailändischen Kultur

Der englische Begriff „sustainability“ hat in der thailändischen Sprache zwei verschiedene Bedeutungen: 1) Dinge bewahren, konservieren und 2) Selbstversorgung. König Rama IX. förderte die Philosophie der Suffizienzwirtschaft (SEP): „Die drei Komponenten sind Vernunft (oder Weisheit), Mäßigung und Besonnenheit. Zwei wesentliche Grundvoraussetzungen sind Wissen und Moral. Im Gegensatz zu dem Konzept, dass die primäre Aufgabe eines Unternehmens in der Gewinnmaximierung zugunsten der Aktionäre besteht, betont SEP die Maximierung der Interessen aller Stakeholder und eine stärkere Ausrichtung auf langfristige Rentabilität im Gegensatz zu kurzfristigem Erfolg“, erklärt die Website EcoThailand. Die Hälfte des Königspalastes in Bangkok war eine landwirtschaftliche Versuchsfarm. Er erklärte seinem Volk die Idee der Selbstversorgung: Erstens baue dein eigenes Essen an, zweitens gib es deinem Nachbarn, drittens konserviere es für dich und deinen Nachbarn und erst danach verkaufe es.

Ein autarkes Ökodorf in Thailand

Das Ökodorf von OurLand strebt Klimaneutralität an und ist netzunabhängig – eine Herausforderung und eine Chance. Die Gründer haben beschlossen, ihr Ökodorf auf der Grundlage der vier Säulen der Selbstversorgung zu betreiben: Energie, Nahrung, Unterkunft und Wasser. Darüber hinaus verfügt das Dorf über ein eigenes Kunststoffrecyclingzentrum und versucht, Abfälle so weit wie möglich zu reduzieren. Aufräumaktionen mit den örtlichen Schulen in Zusammenarbeit mit den Dorfvorstehern, den regionalen Polizeieinheiten, den örtlichen Militärangehörigen und dem örtlichen Gesundheitszentrum haben nicht nur das Bewusstsein geschärft, sondern auch dazu beigetragen, dass Tiere keine Abfälle fressen.

OurLand Selbstversorgung: Energie

Der Strom für das Ökodorf stammt aus Solarenergie, die 25 Lampen, 10 Ventilatoren, 20 mobile Ladestationen, Wasserpumpen, automatisierte Computerchips und 220-Volt-Ladestationen für Laptops mit Energie versorgt. Zum Kochen wurde in den Jahren 2019 und 2020 Biogas aus Lebensmittelabfällen (und manchmal aus Kuh- und Hühnermist) erzeugt, das täglich 2,5 Stunden Kochen ermöglichte. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die meisten Besuche im Ökodorf abgesagt und die Biogasproduktion pausiert. Bald wird die Maschine der Marke Home BioGas (aus Südamerika) ihre Arbeit wieder aufnehmen.

OurLand Selbstversorgung: Wasser

Da das Ökodorf keinen einfachen Zugang zu Wasser hat, ist die Sammlung von Regenwasser in der Regenzeit von entscheidender Bedeutung. Mittlerweile nutzt das Dorf die Hälfte seiner Dachfläche zum Sammeln von Regenwasser, was die Wasserversorgung für fünf bis sechs Monate im Jahr sicherstellt. Der Konflikt zwischen Mensch und Elefant macht das Problem jedoch noch dringlicher, da die Tiere in der Trockenzeit die Wasservorräte der Gemeinde plündern. OurLand schützt nicht nur den Wildtierkorridor zum Fluss, sondern schafft auch künstliche Wasserstellen für die Tiere. Seit 2021 werden im Rahmen des Projekts Möglichkeiten zur Regeneration der Grundwasserreserven durch den Einsatz von Wassergräben untersucht.

OurLand Selbstversorgung: Unterkünfte

Wäre der Baustoff Beton ein Land, so wäre es der drittgrößte Emittent von CO2 der Welt. Alternativen sind jedoch schwer zu bekommen: Bambus ist köstlich für Termiten und wird nicht immer nachhaltig angebaut. Das Gleiche gilt für Holz, das in der heutigen Zeit nur schwer zu bekommen und teuer ist. Lehm ist für OurLand ein lokal verfügbares und günstiges Baumaterial. Um weniger Beton zu verwenden, hat OurLand damit begonnen, zur Herstellung von Ziegeln Lehm zu verwenden. Im Jahr 2020 wurde das erste Lehmhaus mit 1.350 Ziegeln fertiggestellt. Das zweistöckige Haus besteht aus einem 16qm großen Schlafzimmer, einem weiteren Schlafzimmer unter dem Dach, einem Badezimmer und einer Veranda. Die Organisation erwägt, andere natürliche Bauweisen wie Stampflehmtechniken auszuprobieren. Bei der Planung von Lehmhäusern ist es wichtig, einen guten Schutz vor Sonne und Regen einzuplanen – eine gute Überdachung.

OurLand Selbstversorgung: Lebensmittel

Die thailändische Provinz, in der sich das Ökodorf von OurLand befindet, ist das Gebiet in Thailand, in dem die meisten Pestizide eingesetzt werden. Maniok, Mais und Zuckerrohr sind die drei Hauptanbauprodukte. Der ökologische Landbau macht nur 1-2% der Nahrungsmittelproduktion in Thailand aus. Durch Partnerschaften mit örtlichen Restaurants, einem Café und einer Tankstelle leistet OurLand Pionierarbeit im ökologischen Landbau. In Zusammenarbeit mit einer Dorfschule nutzt die Organisation ihr Grundstück auch für Bildungszwecke. In dem neuen Agroforst wachsen Mango, Rambutan und Bananen.

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Tina Teucher arbeitet am Thema regeneratives Wirtschaften mit Erfahrungen aus Europa, Afrika und Asien. In ihren Vorträgen und Moderationen machen die vielen inspirierenden Best Practice Beispielen Hoffnung auf eine enkeltaugliche Zukunft. Mit vielfältigen Methoden und Ideen steht sie Unternehmen in Transformation beratend zur Seite.
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