Tina Teucher wird im November auf der Vereinsjahrestagung die Ehrung…
Eine Bewegung geht den Mehrweg
Warum wir heute unseren letzten Schluck aus einer Erdöl-Flasche nehmen sollten diskutierte Tina Teucher mit den Gästen von fritz-kola Ende Januar 2020 in Hamburg.
Bier oder Wein aus Plastikflaschen zu trinken schickt sich nicht. Doch ob die Limo fürs Radler oder das Sprudelwasser für die Weinschorle in Glas oder Kunststoff verpackt ist, darüber machen sich die meisten Menschen eher wenige Gedanken.
Ganz anders der Hamburger Getränkehersteller fritz-kola. Das 2002 gegründete Unternehmen füllt seine Limonaden seit jeher ausschließlich in Glasflaschen ab. Und dafür gibt es mehr als genug gute Gründe:
13 Mal zum Mond – und keiner räumt auf
Die Plastikflaschen, die wir jedes Jahr in Deutschland verbrauchen, würden übereinandergestellt 13 Mal von der Erde bis zum Mond reichen. Das Gewicht des weltweit produzierten Kunststoffs entspricht dem aller Körpermassen der knapp 8 Milliarden Erdenbürger.
Würden wir wenigstens den Großteil dieser Unmengen an Kunststoff zurück in den Stoffkreislauf führen und wiederverwenden, würden viele der drastischen Umweltauswirkungen ausbleiben. Stattdessen verkaufen Industrienationen wie Deutschland und Belgien ihre Abfälle einfach an Länder wie Malaysia oder Indonesien, wo sie selten recycelt werden, sondern in Müllverbrennungsanlagen landen oder von Deponien aus in Flüsse und Meere wehen.
Auf diese Weise lädt die Menschheit weltweit umgerechnet pro Minute eine volle LKW-Ladung Plastikmüll in die Meere. Geht es so weiter werden unsere Ozeane in 30 Jahren von mehr Kunststoffteilen als Fischen besiedelt sein. Und doch fühlt sich keiner dafür verantwortlich. Ähnlich wie bei einem WG-Kühlschrank, aus dem sich jeder bedienen kann, aber den keiner saubermachen will, verhalten sich die führenden Politiker. Denn so sehr die Fotos von mit Plastik gefüllten Tiermägen auch schockieren: bisher gibt es keinerlei staatliche Initiativen, die sich dem „Aufräumen“ der Weltmeere widmet.
Getränkepioniere gegen den Plastikwahnsinn
Auf Handlungen von politischen Entscheidungsträgern hoffen – das war nicht der Stil von Mirco Wolf Wiegert und Lorenz Hampl, als sie vor knapp 20 Jahren fritz-kola gründeten. Noch als Studenten entwickelten sie die Idee einer Coca-Cola Alternative, prototypten das Getränk mit ihren Kommilitonen in der Wohnheimbar und verkauften 2003 die ersten Kisten. Von Beginn an entschieden sich die beiden für Mehrwegglasflaschen und gegen den Plastikwahnsinn.
Anfang 2020 flutete das fritz-Team über Nacht zentrale Plätze in Hamburg, Berlin, München und Stuttgart mit Installationen aus insgesamt 40.000 Plastikflaschen. Die Bewegung „Trink aus Glas“ ist der Startschuss für einen „Systemwandel der Getränkeindustrie“, den das Unternehmen anstoßen will.
Vorteile von Glas statt Plastik bei Getränken
„Trink aus Glas“: die Forderung der Bewegung steckt schon im Namen. Die Vision von fritz-kola ist ein Getränkeregal, in dem nur noch Glasflaschen stehen und ein Mindset, eine Geisteshaltung, die den Verzicht auf Plastikflaschen ebenso normal erscheinen lässt, wie es das Mitbringen von Einkaufsbeuteln bereits ist.
Die Vorteile der Plastikalternative klingen überzeugend: Glasflaschen sind zu 100% recyclebar, denn sie lassen sich einschmelzen und ohne Qualitätsverlust neu gießen – ein Traummaterial in der Kreislaufwirtschaft! Mehrwegflaschen, wie fritz-kola sie verwendet, können bevor es überhaupt so weit kommt, bis zu 50-mal wiederwendet, also gesammelt, gereinigt und neu befüllt werden. So spart sich der Produzent wertvolle Ressourcen und vermeidet Unmengen Abfall.
Im Mund verhält sich Glas im Gegensatz zu Kunststoff geschmacksneutral und gibt weder Mikroplastik noch Weichmacher an das Getränk ab. Da keine Kohlensäure durch die Flaschenwände entweichen kann, bleiben Getränke in Glasflaschen länger frisch.
Diese Vorteile sollen nun auch Industrie, Handel, Politik und Gesellschaft verstehen und verbreiten. fritz-kola ruft zur Beteiligung an der Bewegung „Trink aus Glas“ auf, „um gemeinsam Verantwortung für ein nachhaltigeres Leben zu übernehmen“.
Eine neue Chance für die Mehrwegquote von 70%
Die Auftaktveranstaltung für Medienschaffende am 21.01.2020 in Hamburg moderierte Tina Teucher und setzte einen Impuls mit ihrem Kurzvortrag zur globalen Plastiksituation. Mit den Podiumsgästen aus Forschung und Praxi diskutierte sie, welche Hürden der Glasverwendung bisher im Weg standen und wie die Bewegung „Trink aus Glas“ groß werden kann:
© C. Große-Cossmann
- Jannes Vahl, Begründer der FCKPLASTIC Initiative, konnte in vielen Hamburger Clubs die Abschaffung von Plastikstrohhalmen erwirken. Jedes Jahr werden in der EU 36,4 Milliarden Einwegstrohhalme wenige Minuten benutzt und dann einfach weggeworfen. Bis sich das Material zersetzt, braucht es aber 500 Jahre. Mit über 1000 Helfer aus allen Bereichen des Hamburger Stadtlebens unterstützt sein Verein clubkinder e.V. dabei, unnötigen Plastikmüll zu vermeiden und mit Plogging-Aktionen beim Joggen oder Laufen liegengebliebenen Abfall einzusammeln.
- Der Getränkehändler Hans-Peter Kastner, hat im August 2019 allen Plastikflaschen in seinem Laden abgeschworen. Sein Facebook-Post zu diesem radikalen Bruch ging viral, im Nu standen Medien wie SternTV, Sat1, RTL und Die Welt vor der Tür. Mit seiner 10-Punkte Strategie (z.B. „keine Lieferung von Paletten in Plastikbanderolen“) stellt er sein Unternehmen grundsätzlich plastikfrei auf. Mit seiner Bewegung „Geh mit mir den Mehrweg“ will er eine Lawine in seiner Branche auslösen. Sein Appell: „Stärken Sie den Fachhandel, kaufen Sie Mehrweg anstatt Einweg, helfen Sie mit, die Umwelt zu verbessern, reduzieren Sie unnötigen Plastikmüll, sichern Sie die Nahversorgung und somit auch die Nachhaltigkeit“.
- Die Umweltpsychologin Katharina Beyerl ist spezialisiert auf die Wahrnehmung der sozioökologischen Krise: von Klimawandel bis Plastikproblem. Am IASS in Potsdam untersucht sie u.a., welche Verhaltensbarrieren dazu führen, dass nicht mehr Glas statt Plastik verwendet wird. Plastikflaschen seien leicht, preiswert, bruchfest. Oft fehlten auch die Alternativen, wenn es z.B. am Bahnhof keine Glasflaschen zu kaufen gäbe. Aus Gründen der Convenience sei Plastik für die meisten Getränke daher noch normal.
- Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe forderte angesichts der geringen Recycling-Quote von Kunststoffflaschen: „Das Plastikproblem muss am Anfang und nicht am Ende gelöst werden.“ Politik und Handel müssten dafür sorgen, dass die Mehrwegquote von 70% durchgesetzt werde und auch für Discounter gelte. Die Durchsetzung der 70% Quote für Getränkemehrweg würde eine Einsparung von 10 Milliarden Flaschen bedeuten.
- Björn Knoop ist seit Ende 2018 bei fritz-kola für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich und stellte die Bewegung #trinkausglas vor. fritz ist größter Einspeiser von Neuglas im Bereich Alkoholfreie Getränke. Um den Transportaufwand zu minimieren lässt fritz-kola an fünf Standorten in Deutschland regional abfüllen und nutzt dafür das jeweils regionale Mineralwasser. Der Hauptabfüllstandort arbeitet zu 100% mit erneuerbaren Energien und sehr wasser- und energieeffizient.
© C. Große-Cossmann
Tina Teucher ist Rednerin für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung. Als Keynote Speakerin hält sie Vorträge und begeistert in Workshops für enkeltaugliches Wirtschaften. Dabei bringt die Nachhaltigkeitsexpertin ihr Wissen aus einem knappen Jahrzehnt CSR-Beratung und Moderationen von Events mit Nachhaltigkeitsbezug ein. Ehrenamtlich ist sie im Vorstand des B.A.U.M. e.V. tätig und unterstützt die Future Cooperative eG mit ihren innovativen Ideen.
Der Newsletter von Tina Teucher informiert etwa viermal jährlich über aktuelle Nachhaltigkeitsthemen.