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Fachtagung Frauengesundheit und Klimawandel 2024

Frauengesundheit und Klimawandel

Was hat die Gesundheit von Frauen mit dem Klimawandel zu tun? Der krasseste Zusammenhang: Frauen-Diskriminierung steigt in Klimakrisen. Bei der Fachtagung „Frauengesundheit und Klimawandel“ am 2.und 3. November 2024 in Dresden moderierte Tina Teucher eine Podiumsdiskussion. Die Tagung drehte sich um die Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten in den verschiedenen weiblichen Lebensphasen.


Sie sind nicht nur in ihrer eigenen Gesundheit betroffen, sondern auch als Organisatorinnen des Lebensalltags ihrer Familien. Gewalttaten gegen sie nehmen deutlich zu, Fehlgeburten– und Frühgeburtenraten steigen infolge extremer Hitzeereignisse um ein Mehrfaches. Alte Frauen sind bei Hitze und Überschwemmungen häufiger Opfer als gleichaltrige Männer. Politische Akteur:innen ebenso wie Fachkräfte des Gesundheits- und Sozialwesens sehen die besondere Vulnerabilität von Frauen in der Klimakrise oft noch nicht. Entsprechend sind die meisten Klimaanpassungspläne nicht auf Frauen als Zielgruppe ausgerichtet.

Arbeitskreis Frauengesundheit e.V

Perspektiven aus Kenia und der Schweiz

Referentinnen aus unterschiedlichen Bereichen zeigten die geschlechtsspezifischen Dimensionen des Klimawandels für Frauen weltweit und in Europa auf. Eindrucksvoll war besonders die Perspektive von Melvine Otieno aus Kenia, Gründerin des Planetary Health Eastern Africa Hub, die eine Vernetzung mit ihren Projekten vor Ort vorschlug.

Der Bericht der Schweizer Klima-Seniorin Pia Hollenstein von ihrer erfolgreichen Klage gegen die Verletzung ihrer Menschenrechte (Kampagne „Trop Chaud„), der Dialog von Frauen „unter 30 mit über 60“ und die Vernissage mit ihren „Best-Practice“- Beispielen vermittelten: Es gibt viele Möglichkeiten, persönlich aber insbesondere gesellschaftlich auf die zunehmende Bedrohung zu reagieren. Entscheidend ist es, Formen der Gemeinsamkeit zu finden. Leugnen und Rückzug sind keine Alternative.

Fachtagung Frauengesundheit und Klimawandel 2024; Moderatorin für Podiumsdiskussion Nachhaltigkeit Tina Teucher

© AKF e.V.

Podiumsgespräch zu Frauengesundheit und Klimawandel

Über Chancen, Perspektiven, politisches und persönliches Engagement und konkrete Forderungen und Lösungen sprach Tina Teucher auf der Tagungsbühne mit vier Persönlichkeiten:

Moderator Podiumsdiskussion Tina Teucher; Frauengesundheit & Klimawandel © AKF e.V.

© AKF e.V.

Erkenntnisse aus der Podiumsdiskussion

  • Resilienz: Für klimaresiliente Gesellschaften braucht es gesunde Mütter und Familien.
  • Der Krankenhaus-Eingriff „Geburt“ ist der häufigste Eingriff in Deutschland, kommt aber nicht in der Krankenhausreform vor – und noch kaum in städtischen Hitzeplänen.
  • Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation, Mentoring-Programme und Partnerschaften sind Schlüssel für die Förderungen der Frauengesundheit in der Klimakrise.
  • Die weltweite Verstädterung (Urbanisierung) ist ein Phänomen, durch die alte (Frauen-)Weisheit um Heilung verloren geht. Diesen „indiginous wisdom“ wieder zu stärken ist ein wesentlicher Treiber von Frauengesundheit z.B. in Ostafrika.
  • Es gibt einen Zusammenhang zu feministischer Außenpolitik, die marginalisierte Gruppen stärken will mit 3R: Rechten, Ressourcen und Repräsentation.
  • Konzepte wie Schwammstädte machen Städte lebenswerter und helfen bei Klimawandelanpassung (z.B. weniger städtische Hitzeinseln) und Treibhausgasbindung.
  • Kooperationen sollten auch Universitäten einbeziehen – wie in Kenia das Center for Herbal Medicines, das mit gutem Vorbild führt und Netzwerke bildet zwischen einheimischer Bevölkerung und Kleinbauern, die sich bei Feldbesuchen Wissen weitergeben.
  • Emotionen sind keine Störungen. Sie sind Bedürfnisanzeiger für Bindung, Kompetenz, Selbstbestimmung, Lustgewinn.
  • Statt Krisen wegzudiskutieren, auszublenden oder zu beschreien, ist es psychologisch ratsam die Krisen „aktiv“ zu leben und zu gestalten.
  • Heiß diskutiert wurde die Frage nach dem Hebel für Veränderungen (Lever of Change): Liegen die Stellschrauben eher in politischen Veränderungen oder im privaten Konsum? Konsensfähig war am ehesten, dass es ein Mix aus beidem sein muss: Es braucht z.B. politischen Einsatz für städtische Hitzeanpassungspläne, die Frauengesundheitsaspekte einbeziehen, aber auch im eigenen Verhalten liegt ein Schlüssel: Gerade werdende Eltern beginnen oft, sich mehr mit der Zukunft und den Klimaauswirkungen ihres Konsums zu beschäftigen. Sie sollten hier nicht zusätzlichen Druck von der Gesellschaft bekommen, können aber die Chance für eine Reflexion der eigenen Entscheidungen wirksam nutzen.

Konkret lässt sich einiges für die Gesundheit von Frauen bewegen

Tagung Frauengesundheit und Klimawandel Auditorium 2024 © AKF e.V.

© AKF e.V.

Warum sind Frauen strukturell durch die Klimakrise besonders gefährdet?

Die Schlusserklärung der Veranstalterinnen vom Arbeitskreis Frauengesundheit e.V. (AKF) zeigt zentrale Aspekte von Frauengesundheit und Klimawandel auf:

Frauen sind weltweit überproportional von der Klimakrise betroffen, und überproportional treffen die Auswirkungen der Klimakatastrophe Frauen im globalen Süden. Gesundheitliche, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede machen sie besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels. Dies ist eine strukturelle Ungerechtigkeit, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es überproportional Männer (und westliche Gesellschaften) sind, die dafür verantwortlich sind: Sie treffen Entscheidungen, die den Klimawandel verursachen und beschleunigen sowie wesentliche Ausgleichsmaßnahmen für eine Anpassung an den Klimawandel und dessen Folgen verhindern.

Auf welche Bereiche der Gesundheit von Frauen wirkt sich die Klimakrise aus?

1. Gesundheit: Naturkatastrophen, einschließlich ihrer Langzeitwirkungen, und extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen oder Überschwemmungen haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen, insbesondere während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie im Alter. Im Globalen Süden haben Frauen oft einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdiensten, was ihre Anfälligkeit für klimabedingte Krankheiten erhöht.

2. Rollenverteilung und Verantwortung: Hitze und anderes Extremwetter treffen Frauen aufgrund der mehrheitlich durch sie geleisteten Sorge für die Gesundheit und Pflege von Angehörigen doppelt. Besonders im globalen Süden machen klimabedingte Veränderungen wie Dürren, Überschwemmungen oder Ernteausfälle diese Aufgaben zeitaufwändiger oder zunehmend unmöglich.

3. Zugang zu Ressourcen: Frauen haben oft weniger Zugang zu wichtigen Ressourcen – wie Land, Bildung, Krediten und Technologien. Dies schränkt ihre Fähigkeit ein, sich an den Klimawandel anzupassen oder Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Landrechte sind oft auf Männer konzentriert, und Frauen haben seltener ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über landwirtschaftliche Produktion und Ressourcenverteilung.

4. Geschlechtsbezogenene Gewalt: Klimakrisen führen zu einem Anstieg von geschlechtsspezifischer Gewalt. In Zeiten von Unsicherheit und Ressourcenknappheit nach Naturkatastrophen kommt es häufiger zu häuslicher Gewalt, sexuellen Übergriffen und Menschenhandel.

5. Ökonomische Verwundbarkeit: Frauen arbeiten öfter in prekären, schlechter bezahlten und weniger krisenfesten Arbeitsverhältnissen. Armut führt beispielsweise oft zu Wohnverhältnissen, die schlechter vor Klimaveränderungen schützen. Die durch Ernteausfall bedingten höheren Lebensmittelpreise können sich Frauen immer weniger leisten.

6. Politische Teilhabe und Entscheidungsmacht: Frauen sind weltweit in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert. Dadurch fehlen oft geschlechtersensible Perspektiven bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.

Was muss sich ändern, damit Frauengesundheit im Klimawandel gestärkt wird?

Der Arbeitskreis Frauengesundheit e.V. (AKF) fordert dazu:

Klimaschutz als Verantwortung des Gesundheitswesens

Das Gesundheitssystem trägt eine gesellschaftliche Verantwortung, die Auswirkungen der Klimakrise in seinem Bereich anzuerkennen. Die Zuständigkeitsbereiche der Akteur:innen sind entsprechend zu erweitern. Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Pflegende und andere Heilberufe sowie Berufsverbände, Kammern, Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhäuser bzw. Krankenhausgesellschaften entwickeln verbindliche Nachhaltigkeitskonzepte, die in Aus- und Weiterbildungen vermittelt sowie regelmäßig aktualisiert werden und deren Umsetzung kontrolliert wird.

Klimafolgenangepasste Gesundheitsversorgung

In der Patient:innenversorgung ist der Umgang mit der Klimakrise aktiv zu thematisieren. Dabei ist die besondere Betroffenheit und Vulnerabilität von Frauen zu berücksichtigen, um gesundheitliche Folgeschäden durch Präventionsmaßnahmen abzufedern. Diese Maßnahmen erfordern eine angemessene finanzielle Ausstattung. Betroffene sind gezielt zum klimafolgenangepassten Verhalten zu beraten, insbesondere in spezifischen weiblichen Lebensphasen.

Politik und Gesetze berücksichtigen die Besonderheiten der Frauengesundheit

Die Bundesregierung, Landesregierungen und Kommunen integrieren Aspekte der Frauengesundheit bei der Umsetzung des Klimaanpassungsgesetzes sowie in allen Klimaanpassungsplänen. Klimaziele und die Praxis der Klimaanpassung sind dabei frauenspezifisch zu aktualisieren.

Nachhaltige Förderung von Frauengesundheit

Das Bundesumweltamt und das Bundesministerium für Gesundheit unterstützen die Entwicklung und Zusammenstellung von Best-Practice-Modellen zur nachhaltigen Förderung der Frauengesundheit.

Gesamtgesellschaftliches Engagement

Um die Klimakrise abzumildern und ihre Folgen angemessen zu bewältigen, ist ein gesamtgesellschaftliches Engagement erforderlich. Daher fordert der AFK außerdem:

Das Recht auf eine gesunde Umwelt als Handlungsleitlinie:

Die Resolution des UN-Menschenrechtsrates von 2021 und der UN-Generalversammlung, dass alle Menschen das Recht haben, in einer sauberen und gesunden Umwelt zu leben, muss zur Handlungsleitlinie aller politischen Akteur:innen werden.

Globale Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Ressourcengerechtigkeit

Auf globaler Ebene sind unter anderem notwendig: Armutsbekämpfung, eine faire Verteilung von Ressourcen und Finanzmitteln in Forschung und Praxis, eine Ernährungswende, effiziente Klimakommunikation und die sofortige Entwicklung von Strategien zum Umgang mit zukünftigen Klimakatastrophen.

Empowerment von Frauen und Förderung der Geschlechtergerechtigkeit

Das Empowerment von Frauen und die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit sind weltweit entscheidende Schlüssel zur Lösung der Klimakrise.

Umsetzung von Klimaschutzurteilen

Die Bundesregierung muss die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 und der Europäischen Menschenrechtskonvention vom April 2024 (Klage der Schweizer Klimaseniorinnen) noch in dieser Legislaturperiode umsetzen.

Die Erklärung sowie die Ergebnisse der Tagung werden veröffentlicht beim AFK.


Tina Teucher begleitet Events kompetent und erfrischend durch Tagesmoderation, Input und Veranstaltungserfahrung. Die Speakerin hält Nachhaltigkeits-Keynotes zu Innovationen, Sinn von Arbeit und New Work und grünen Unternehmen. Ehrenamtlich engagiert sich Tina Teucher in Organisationen wir B.A.U.M. e.V. und Think Tank 30.
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