Es summte und brummte regelrecht beim Tag der Insekten, den…

Regenerativ sein heißt, Nützling sein
Was bedeutet regeneratives Wirtschaften? „Wir könnten Nützlinge sein statt Schädlinge“, sagt Prof. Michael Braungart, der Initiator des Kreislaufprinzip „Cradle to Cradle“ in einem aktuellen Buch.
Was sind Elemente einer regenerativen Wirtschaft? Das fragt Autor Jan Schmirmund in seinem Buch „Regenerative Wirtschaft“ verschiedene Menschen.
Prof. Michael Braungart, der das Cradle-to-Cradle-Design-Prinzip für ein Wirtschaften in Kreisläufen entwickelt hat, antwortet sehr anschaulich:
„Wir brauchen Systeme, die den anderen Lebewesen dienen und nicht nur die Zerstörung etwas verlangsamen. Dieses Vermeiden, Sparen, Verzichten, Reduzieren, dieser energische Wille, Klimaneutralität zu erreichen, um weniger schädlich zu wirken – das alles ist Quatsch. Ich sage, schaut euch den Kirschbaum im Frühling an, der vermeidet nicht eine einzige Blüte, der wächst einfach. Er reduziert auch nichts. Warum können wir nicht Gebäude machen wie Bäume? Gebäude, die die Luft reinigen? Gebäude, die das Wasser reinigen. Gebäude, die den anderen Lebewesen dienen, die nicht nur ein bisschen weniger schädlich sind, sondern beitragen zu körperlichem und seelischem Wohlbefinden.
Polyester könnten, wie an der Universität Konstanz heute erforscht wird, so gestaltet werden, dass sie perfekt biologisch abbaubar sind. Das heißt, ich freue mich dann über den Abrieb meiner Kleidung und meines Möbelbezugs, weil sich an der Oberfläche dieses Abriebs Mikroorganismen festsetzen können. Im Gewässer schaffe ich damit ein Plankton, an dem sich Bakterien, Pilze, Algen festhalten könnten und damit die Kleinkrebse eine Nahrung bekommen. Chemisch ist das vergleichbar einem Operationsfaden, der sich in meinem Körper auflöst. Polymere können so designt werden, dass sie in der Biosphäre Nahrung sind. Das heißt, wir können für die anderen Lebewesen gut sein. Aber wir brauchen dafür ein anderes Selbstverständnis unserer Rolle auf diesem Planeten.“
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Wir sind das einzige Lebewesen, das Müll erzeugt. Wir denken traditionell, dass wir die Umwelt schützen, wenn wir sie nur etwas weniger zerstören. Aber das ist Quatsch, nach dieser Logik könnte ich genauso gut sagen, ich schütze mein Kind, indem ich es nur fünf Mal schlage statt früher zehn Mal.“
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„Wie kann es sein, dass jemand Schuhe herstellt, ohne sich zu fragen, was mit dem Mikroplastikabrieb passiert? Oder dass Textilien mit Kunststoffen produziert werden, obwohl bekannt ist, dass ein Drittel des Mikroplastiks in den Meeren auf Textilabrieb zurückzuführen ist? Oder noch schlimmer, Autoreifen, die 470 Chemikalien in die Umwelt abgeben, und Bratpfannen, die mit sogenannten Ewigkeitschemikalien beschichtet sind, also Stoffen, die länger halten werden als alles andere auf der Welt. Diese fluororganischen Verbindungen werden noch da sein, wenn die Erde in dreieinhalb Milliarden Jahren von der Sonne verschluckt wird. Das heißt, dieser Ärger, diese Traurigkeit darüber, wie primitiv unsere Produkte im Verhältnis zu dem sind, was sie sein könnten, das ärgert mich jeden Tag, und es empört mich.“
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Nachhaltigkeit stabilisiert das Bestehende, und das Bestehende ist zerstörerisch. Nachhaltigkeit optimiert das Falsche. Die Plastikflasche wird statt aus einem abbaubaren Polymer nur ein bisschen leichter gemacht, der Recyclinganteil in ihr erhöht, wodurch in perfekter Absurdität die falschen Dinge perfekt gemacht und dadurch Folgeprobleme erzeugt werden, die am Ende alles noch schlimmer machen.“
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Ich glaube daran, dass wir Menschen für diesen Planeten nützlich sein können. Wir könnten Nützlinge sein statt Schädlinge.„
Die Zitate stammen aus dem Buch Regenerative Wirtschaft. Wie Pioniere eine lebenswerte Ökonomie gestalten. Von Jan Schmirmund. Murmann Verlag, 2025, ISBN 978-3-86774-813-1
Wer sich näher mit Cradle to Cradle beschäftigen will, findet beim Cradle to Cradle Verein wertvolle Informationen und Veranstaltungen.
Titelbild: Kirschblüte – CC: AJ, Unsplash; bearbeitet vom Team Tina Teucher
Tina Teucher hält Keynotes und Vorträge zu Themen des nachhaltigen Wirtschaftens wie regenerative Business und Zukunftskompetenz. Als erfahrene Moderatorin begleitet sie grüne Veranstaltungen in Präsenz, online oder auch hybrid. Beratend und in Workshops schult Tina Teucher Unternehmen in Nachhaltigkeitskommunikation und sustainable Leadership.
Der Newsletter von Tina Teucher informiert etwa viermal jährlich über aktuelle Nachhaltigkeitsthemen.