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Nachhaltig oder schädlich: Mythos und Wahrheit über Windräder

Um Windräder bzw. Windenergieanlagen ranken sich viele Mythen. Sie werden für Vogelschlag, Artensterben und zerstörte Lebensräume verantwortlich gemacht, stehen im Verdacht, giftige PFAS (Ewigkeitschemikalien) in die Umwelt abzugeben und scheinen nur unbeständig Strom zu hohen Systemkosten zu liefern. Was ist da dran?


Der Ausbau von Windenergie wird in Deutschland und vielen anderen Ländern kontrovers diskutiert. Dabei werden wissenschaftlich belegte Fakten aufgeführt, diese aber auch oft mit Lobby-Interessen vermischt oder mit negativen Emotionen aufgeheizt. Sind Windräder am Ende gar nicht so umweltfreundlich, wie angenommen? Was ist Verschwörungstheorie, was sind belegte Fakten?

Mythos 1: Durch Windräder sterben massenhaft Vögel und Fledermäuse

Behauptung: Massenhafte Kollisionen von Zugvögeln und Fledermäusen mit Windrädern beschleunigen das Artensterben.

Fakt: In Deutschland sterben bei Kollisionen mit Windkraftanlagen jährlich etwa 100.000 Vögel. Zum Vergleich: Freilaufende Hauskatzen töten schätzungsweise 200 Millionen Vögel, weitere 100 Millionen sterben bei Kollisionen mit Gebäudeverglasungen und 70 Millionen im Straßen- und Bahnverkehr. Für wandernde Fledermausarten sind Windräder eine tatsächliche Gefahr. In Waldnähe und auf ihren Zugrouten durch Deutschland sterben jährlich etwa 250.000 Exemplare.

Einordnung: Aus Naturschutzgründen sind Windenergieanlagen an Waldrändern und innerhalb von Wäldern ein Tabu. Dort erhöhen sie die Gefährdung insbesondere von waldgebundenen Tierarten wie Fledermäusen und Greifvögeln. Windparks sollten sowohl Abstand zu Wäldern als auch zu Naturschutzgebieten, Vogel- und Fledermauszugrouten und Brutplätzen einhalten. Intelligent betriebene Anlagen können bei Nacht oder Dämmerung abgeschaltet werden und erhöhen damit den Schutz für jagende Fledermäuse.

Mythos 2: Offshore-Windräder schaden dem Meer und verunstalten die Küste

Behauptung: Offshore-Windparks zerstören Lebensräume, erzeugen Lärm und beeinträchtigen das Landschaftsbild.

Fakt: Während der Bauphase entstehen hohe Schallpegel, die manche Meerestiere stören können. Diese Effekte sind jedoch lokal, zeitlich begrenzt und lassen sich durch Lärmschutz und sorgfältige Standortwahl deutlich mindern. Im Betrieb zeigen Studien überwiegend neutrale bis positive Auswirkungen: Die Fundamente dienen als künstliche Riffe und fördern die Artenvielfalt. In Fischereiausschlusszonen erholen sich Fischbestände messbar. Zudem liegen Offshore-Windparks meist mehr als 20 km von der Küste entfernt und sind von dort kaum sichtbar.

Einordnung: Offshore-Windkraft beeinträchtigt marine Ökosysteme weit weniger als fossile Energiegewinnung und kann bei umsichtiger Planung sogar zum Schutz mariner Lebensräume beitragen.

Mythos 3: Ewigkeitschemikalien gelangen aus Windrädern in die Umwelt

Behauptung: PFAS, also Ewigkeitschemikalien, stecken in den Rotorblättern und gelangen durch Erosion während des Betriebs in die Umwelt. Sie verseuchen ganze Landstriche, Wasser, Luft und Boden und werden von Tieren und Menschen aufgenommen, wo sie Krebs verursachen können.

Fakt: Die Farben und Beschichtungen der Rotorblätter einer Windturbine enthalten PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). Sie dienen dazu, das Material gegen Erosion durch Witterung und Partikel zu schützen und somit den Eintrag von Mikropartikeln in die Umwelt gering zu halten. In den Schaltanlagen werden PFAS als Schutzgase eingesetzt, um Brände zu verhindern. Es gibt weltweit nur wenige Studien und Zahlen zum Eintrag von PFAS, egal in welchem Sektor. Hier kann man nur auf Schätzungen und Hochrechnungen zurückgreifen: Unter Berücksichtigung verschiedener KI-Berechnungen* beträgt der PFAS-Eintrag aus dem Rotorblatt-Abrieb in Deutschland ca. 0,3 kg bis 31 kg PFAS pro Jahr (je nach angenommenem PFAS-Anteil). Aus anderen Anwendungsbereichen, die selten bis nie in die öffentliche Kritik geraten, gelangen deutlich höhere Mengen an PFAS in die Umwelt, etwa geschätzte 470 Tonnen PFAS pro Jahr aus Feuerlöschschaum (EU-Modell) oder 760 Kilogramm aus Textilabfällen.

*Hinweis: Die Berechnungen und Vergleiche zu PFAS-Emissionen aus Windkraftanlagen wurden mithilfe der KI-Anwendung ChatGPT (OpenAI, 2025) erstellt. Sie basieren auf Schätzwerten aus wissenschaftlicher Literatur (z. B. Fraunhofer-Studien, EU-Berichte) und dienen der Veranschaulichung, nicht einer amtlichen Bewertung.

Einordnung: Allgemein geht von Ewigkeitschemikalien eine große Umwelt- und Gesundheitsgefahr aus. Es bedarf dringend einer Regulierung von Produktion und Einsatz PFAS-behandelter Erzeugnisse. Windräder sind dabei anhand von Schätzungen nur eine sehr kleine Quelle. Generell gibt es zum Einsatz von PFAS bessere Alternativen, die sowohl in der Anlagenkonstruktion als auch in anderen Produkten Anwendung finden können oder bereits eingesetzt werden. Keine der Alternativen ist völlig unbedenklich, aber für viele Anwendungen (z.B. Beschichtungen) sind biologisch abbaubare Esteröle bzw. fluorfreie Silikon-Beschichtungen ökologisch deutlich günstiger als PFAS.

Auch die Entsorgung und das Recycling alter Rotorblätter ist noch nicht ausreichend gelöst. Hierfür ist die Weiterentwicklung von Recyclingmethoden erforderlich, die Verbundstoffe zurück in den Rohstoffkreislauf bringen. Wird das Problem im Zuge verbesserter Windenergieanlagen gelöst, könnten diese Errungenschaften auch anderen Entsorgungsprozessen nutzen.

Mythos 4: Windräder verunstalten die Landschaft

Behauptung: Windparks verunstalten die Landschaft, verstellen die Aussicht und bauen Flächen zu, die anderweitig genutzt werden könnten oder geschützt sein sollten.

Fakt: Windparks an Land nehmen sehr zwar viel Fläche ein, doch nur ein kleiner Teil ist tatsächlich bebaut. Die Flächen dazwischen können für die Landwirtschaft genutzt werden. Weil Windräder aus weiter Entfernung sichtbar sind, meist auch in der Nähe von Siedlungen, entstehen Konflikte zwischen Betreibern und Anwohnern.

Einordnung: Die Akzeptanz für Windparks sinkt, wenn die lokale Bevölkerung bei Planung, Bau und Betrieb nicht einbezogen wird. Sie schwindet sogar dann, wenn eine allgemeine Zustimmung für saubere Energiequellen besteht. Bürgerwindparks, die zusammen mit der lokalen Bevölkerung geplant werden, sind trotz gleichem Einfluss auf die Landschaft eher akzeptiert. Sie halten zudem die Strompreise stabil bis niedrig und tragen zur Stärkung der lokalen Wirtschaft bei.

Eines von mehreren Beispielen für gelungene Beteiligung ist der Bürgerwindpark Hohenlohe im Nordosten Baden-Württembergs. Mehrere Windenergieanlagen sind hier in Bürgerhand, hunderte lokale Mitglieder beteiligen sich finanziell und erhalten Anteile an den Erlösen. Auch in anderen Bundesländern haben sich solche Gemeinschaftsanlagen etabliert, z.B. in Schleswig-Holstein der Bürgerwindpark Ellhöft (siehe Video), der zu hundert Prozent in Bürgerhand liegt. Die Gewinne fließen direkt an die Beteiligten und die Gewerbesteuereinnahmen bleiben in der Region.

Für die Freiräume zwischen Windrädern gibt es Einsatzmöglichkeiten: Sie können landwirtschaftlich genutzt und beweidet oder mit Blühwiesen bepflanzt werden, um die Artenvielfalt zu erhöhen.

Die den Wind ernten - Bürgerwindpark Ellhöft | Made in Germany

Mythos 5: Windräder erzeugen gesundheitsschädlichen Schlagschatten und Infraschall

Behauptung: Windräder gefährden die Gesundheit durch flackernden Schlagschatten und unhörbaren Infraschall.

Fakt: Schlagschatten tritt nur bei direkter Sonneneinstrahlung und bestimmten Sonnenständen auf. In Deutschland ist die zulässige Belastung gesetzlich auf maximal 30 Minuten pro Tag bzw. 30 Stunden pro Jahr begrenzt. Moderne Anlagen stoppen automatisch, sobald diese Werte erreicht werden. Infraschall (unter 20 Hz) wird von Windrädern zwar messbar, aber in sehr geringer Intensität erzeugt. Sie liegt meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle und ist deutlich geringer als der durch Straßenverkehr, Haushaltsgeräte oder Wind erzeugte Infraschall. Bisherige Studien zeigen keinen Nachweis für direkte gesundheitliche Schäden durch Infraschall aus Windenergieanlagen.

Einordnung: Schlagschatten und Infraschall sind wahrnehmbare, aber technisch beherrschbare Begleiterscheinungen. Die geltenden Grenzwerte und Abschaltmechanismen sorgen dafür, dass gesundheitliche Risiken praktisch ausgeschlossen sind. Psychologische Faktoren, wie subjektives Unbehagen oder visuelle Reize, können jedoch das Wohlbefinden beeinflussen, vor allem, wenn Anwohner*innen sich nicht in die Planung einbezogen fühlen (siehe Mythos 4). Im Vergleich zu anderen Energieerzeugungsformen sind die tatsächlichen Auswirkungen von Windrädern gering, und durch technische Fortschritte (z. B. leisere Rotoren, angepasste Standortwahl) weiter rückläufig.

Mythos 6: Windräder verursachen Dürre

Behauptung: Der Einsatz von Windkraftanlagen verringert die Bodenfeuchte, führt zu weniger Niederschlag und damit zu Dürre.

Fakt: Studien zeigen zwar lokale Effekte wie eine leicht verringerte Bodenfeuchte oder minimale Temperaturveränderungen in unmittelbarer Umgebung von Windparks. Allerdings fehlt jeglicher Nachweis dafür, dass Windkraftanlagen die Entstehung von Dürre oder großflächigen Trockenperioden verursachen könnten. Ein wichtiger Grund: Die Anlagen erreichen nicht jene Luftschichten, in denen Wolkenbildung und Niederschlägen stattfinden. Zudem sind viele Studien in Regionen mit ohnehin trockenem Klima durchgeführt, weshalb die Ergebnisse kaum auf Deutschland übertragbar sind.

Einordnung: Obwohl Windparks minimale lokale Klimaeffekte haben können, liegen ihre Auswirkungen im Vergleich zum globalen Klimawandel oder zur Nutzung fossiler Energien sehr weit darunter. Aussagen, Windräder würden Dürren auslösen, beruhen auf falscher Übertragung lokaler Daten und sollten daher kritisch betrachtet werden.

Mythos 7: Windräder erzeugen nur unbeständig Energie

Behauptung: Windräder liefern nur unbeständig Strom und können die Energieversorgung nicht zuverlässig sichern. Es wird Blackouts im ganzen Land geben, die Industrie kann sich nicht auf beständige Stromlieferungen verlassen und für Haushalte steigen die Kosten, weil alternative Stromerzeugungsanlagen benötigt werden oder teurer Strom aus dem Ausland eingekauft werden muss.

Fakt: Da der Wind nicht beständig weht, unterliegt die Energieerzeugung durch Windräder natürlichen Schwankungen. Bei Windstille wird keine Energie erzeugt. Moderne Akkuspeicher und Pumpspeicher-Kraftwerke sowie Netzausbau und der Mix mit weiteren erneuerbaren Energiequellen erhöhen jedoch die Versorgungssicherheit. Offshore-Windparks stabilisieren den Energiemix durch den oft konstanten, starken Wind (insbesondere im Winter), der auf hoher See herrscht. Bereits heute kann Deutschland über 30 % seines Stroms aus Windkraft decken, ohne dass es zu nennenswerten Versorgungsengpässen kommt.

Einordnung: Wind ist eine natürliche Ressource und unterliegt Schwankungen. Jedoch können technische und organisatorische Maßnahmen, wie z.B. der Netzausbau, Speicher, Lastmanagement und Offshore-Wind, diese Schwankungen gut ausgleichen. Offshore-Wind trägt durch hohe und relativ konstante Erträge dazu bei. Durch die Kombination verschiedener Energiequellen und Prognosesysteme besteht in der Praxis keine Gefahr für die Versorgungssicherheit.

Höheren Kosten durch Netzausbau und Bereitstellung von Speichern steht die Kosteneffizienz einer Windkraftanlage gegenüber: Nach nur 6-12 Monaten (je nach Studie) hat sie so viel Energie produziert, wie für ihren Bau, Transport, Betrieb und Rückbau benötigt wird. Danach produziert sie quasi „kostenlos“ Strom.

Fazit

Wie bei vielem, das Menschen erfunden haben, liegen Vorteile oder Schädlichkeit in der Art und Weise, wie diese Technologie eingesetzt wird. Ein Windpark kann bei schlechter Planung viel Schaden an Mensch und Natur anrichten, z.B. in Wäldern. Ein gut geplanter Windpark dagegen kann zum Erfolgsmodell werden. Elementar ist hierbei der Einbezug der lokalen Bevölkerung, Sicherungssysteme für Vögel und Fledermäuse, Speicher- und Netzausbau sowie eine integrierte landwirtschaftliche Nutzung oder durch Blühwiesen geförderte Biodiversität der sonst brachliegenden Flächen.

Werden Bürger am Standort eines geplanten Windparks in die Entscheidungen einbezogen, profitieren sowohl die Menschen im Ort als auch die Betreiber von den Vorzügen solcher Anlagen und die störenden Aspekte sind besser zu verkraften.

Die relativ moderne Technologie der Windräder lässt sich nicht direkt mit den über Jahrzehnten entwickelten und optimierten Gas-, Kohle- und Atomenergieanlagen vergleichen. Letztere sind jedoch eindeutig ein Auslaufmodell, einerseits durch ihre immensen Schäden, die sie am Klimasystem und der Natur anrichten, andererseits durch das Erschöpfen fossiler Brennstoffe, auf deren Grundlage sie betrieben werden und wodurch die Energiekosten bereits stark ansteigen.

Der Umbau zur sicheren Energieproduktion und -belieferung durch Netzausbau und Speicher kostet erst einmal viel Geld. Doch diese Investition lohnt sich, wenn die Gesellschaft nicht mehr für Förderung und Import fossiler Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl zahlen muss. So lässt sich für den Industriestandort Deutschland eine widerstandsfähige, moderne und unabhängige Energiezukunft gestalten.

Titelbild: CC Colin Watts, Unsplash; bearbeitet vom Team Tina Teucher


Tina Teucher ist Expertin für Nachhaltigkeit damit verbundene Megatrends. In Vorträgen, Moderationen und Workshops zeigt sie, wie Wirtschaften und Leben zukunftsfähig und enkeltauglich werden. Dabei geht die studierte Kulturwissenschaftlerin gezielt auf die Herausforderungen und Bedürfnisse ihres Publikums und deren Branchen ein.


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